ALLGEWALT
Auf seine alten Tage wollte es Verdi allen zeigen: Hört her, geistlich und weltlich sind nicht zu trennen, musikalisch schon gleich gar nicht. Diesseits und Jenseits, Tod und Leben, Hölle und Paradies, Vergänglich- und Ewigkeit gehören zusammen. Der beschränkte menschliche Geist scheitert am Übergroßen und versucht es zu fassen, indem er unterteilt, Grenzen zieht, Definitionen erfindet. Doch das Wahrhaftige ist größer. Lasst Euch überzeugen und überwältigen von dieser Musik. Sie ist gewaltig und kündet vom Großen.
ALLMACHT
Erbebe und schaudere! Meditiere und reflektiere! Hoffe und glaube! Wenn es Gott gibt, ist er mächtiger als Gesetze, Zeiten und Gewalten, größer als alles, was gedacht werden kann und was Religionen über ihn sagen, um ihn von anderen Göttern zu unterscheiden. Wenn es Gott gibt, ist er einer und unendlich viele. Und wenn es Gott nicht gibt...? Dann ist auch die Existenz solcher Musik unbegreiflich.
ALLGEMEIN
Von Mozart über Berlioz und Brahms bis Britten: Nicht zufällig gerieten Werke, die sich Requiem nannten, zu Kulminationspunkten im Schaffen
vieler Komponisten. Verdi nahm den Tod des Schriftstellers und Nationalhelden Alessandro Manzoni zum Anlass für die künstlerische Auseinandersetzung mit letzten Dingen. Zu Manzonis erstem Todestag am 22. Mai 1874 wurde die Messa da Requiem in der Mailänder Kirche San Marco erstmals aufgeführt. Bereits drei Tage später dirigierte Verdi eine Aufführung in der Scala, und bald eroberte das Werk, das nicht nur Hans von Bülow als »Oper im Kirchengewande« wahrnahm, alle großen Opernhäuser und Konzertsäle weltweit. Im Gewandhaus wagte Carl Reinecke 1876 »zum ersten Male« eine Aufführung. Verdi im Gewandhaus! Was sagen die Italianophoben und Classicomanen dazu? Die Sorge der hysterischen Presse war unbegründet: Alle, auch die Skeptiker, waren begeistert und bekamen das Requiem »auf Verlangen« vier Tage später erneut geboten.